„Die, die den Wolf besiegte“
Lupus-Patientin 1.000 Tage nach weltweit erster CAR-T-Zell-Therapie immer noch gesund
Im März 2021 erhielt die damals 20-jährige Thu-Thao V. als weltweit erste Patientin CAR-T-Zellen gegen die seltene, bisweilen lebensbedrohliche Autoimmunerkrankung Systemischer Lupus erythematodes (SLE). Bereits wenige Wochen später ging es der jungen Frau wieder gut: Die Gelenkschmerzen und die gerötete Haut verschwanden, Herz und Nieren erholten sich, Atmung und Schlaf wurden wieder normal, das starke Herzklopfen und der Haarausfall gingen zurück. Thu-Thao V. konnte sogar wieder Sport treiben. Auch heute, 1.000 Tage nach der Behandlung mit CAR-T-Zellen, ist die inzwischen 23-Jährige beschwerdefrei. Sie studiert, geht zum Zumba, führt ein ganz normales Leben. Statt einer Perücke wie noch 2021 hat sie heute wieder eigene lange Haare. „Ich nehme nur noch Blutverdünner ein und etwas, um meinen Blutdruck zu regulieren – das entlastet meine Nieren“, erklärt sie. Noch vor zweieinhalb Jahren hatte Thu-Thao V. täglich etwa 20 Tabletten schlucken müssen. „Der Lupus ist in meinem Blut nicht mehr nachweisbar“, berichtet sie strahlend.
„Wir sind so glücklich und freuen uns so für Sie“, begrüßten Prof. Dr. med. univ. Georg Schett, Direktor der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie, und Prof. Dr. Andreas Mackensen, Direktor der Medizinischen Klinik 5 – Hämatologie und Internistische Onkologie des Uniklinikums Erlangen, Thu-Thao V. anlässlich ihres besonderen Jubiläums in Erlangen. Beide Klinikdirektoren betreuen die Patientin gemeinsam. Rückblick: Der SLE hatte bei der jungen Frau dazu geführt, dass ihr Immunsystem verrücktspielte und Autoantikörper gegen die eigene Erbsubstanz bildete. Das löste schwere Entzündungsreaktionen in den Organen aus. Weil verschiedene immununterdrückende Therapien bei Thu-Thao V. fehlschlugen, waren gentechnisch veränderte Immunzellen – sogenannte CAR-T-Zellen – ihre letzte Hoffnung. Sie sollten diejenigen Immunzellen (B-Zellen) zerstören, die für die Bildung der schädlichen Autoantikörper verantwortlich waren – und genau das taten die per Infusion verabreichten CAR-T-Zellen dann auch. Um die Patientin zu dem anhaltenden Therapieerfolg zu beglückwünschen, übergaben Prof. Schett und Prof. Mackensen Thu-Thao V. jetzt einen eigens für sie angefertigten Preis. Auf diesem prangen die Silhouette eines Wolfskopfes und der Text „Die, die den Wolf besiegte“ (Lupus = lat. Wolf), zusammen mit dem Datum der wegweisenden Behandlung: 22. März 2021. Den Namen Lupus bekam die Erkrankung, weil die typischen Gesichtsrötungen und -entzündungen die Menschen früher an Wolfsbisse erinnerten.
In einem Interview mit den beiden Klinikdirektoren berichtete Thu-Thao V. dann, wie sich ihr Leben durch die CAR-T-Zell-Therapie verändert hat.
Prof. Dr. Andreas Mackensen: „Erinnern Sie sich noch daran, wie es Ihnen vor der CAR-T-Zell-Therapie ging?“
Patientin Thu-Thao V.: „Ja: Mir ging es richtig schlecht. Ich dachte wirklich, ich werde sterben. Ich hatte ja eine Rippenfellentzündung und dann nur noch 30 Prozent Lungenfunktion. Jeder Tag war richtig schwer für mich. Ich habe mich hilflos gefühlt. Ich hatte einfach keine Kraft. Ich konnte nicht richtig laufen, nicht richtig schlafen und habe sozusagen im Sitzen geschlafen, weil ich anders keine Luft bekommen habe. Ich konnte meinen Körper einfach nicht bewegen, wie ich es wollte.“
Prof. Dr. med. univ. Georg Schett: „Und wie haben Sie die CAR-T-Zell-Therapie erlebt, die ja jetzt schon 1.000 Tage her ist?“
Patientin Thu-Thao V.: „Am Anfang dachte ich: Endlich wird mir geholfen. Schon als ich die Chemo [Anmerkung: Vor der CAR-T-Zell-Gabe erfolgt eine vorbereitende Chemotherapie.] bekommen habe, ging es mir viel besser – also die Schmerzen wurden schon richtig gelindert durch die Chemotherapie. Ich fand es nicht so toll, dass Blut abgenommen werden musste, weil meine Venen dünn und eng sind und man fast kein Blut herausbekommt. Aber danach ging es mir viel, viel besser und ich habe mich wie ein neuer Mensch gefühlt. Innerhalb von sechs Monaten war ich gefühlt wieder gesund, konnte in die Sonne gehen und sie genießen – was ich davor nicht konnte mit Lupus –, hatte keine Gelenkschmerzen mehr. Das Atmen musste ich wegen der Rippenfellentzündung neu lernen. Aber jetzt geht es mir wieder gut.“
Prof. Dr. Andreas Mackensen: „Sie waren ja nun die Allererste auf der Welt, die diese Therapie in der Form bekommen hat. Und das wussten Sie. Hatten Sie keine Angst?“
Patientin Thu-Thao V.: „Nein. Ich wollte einfach nicht mehr jede Woche ins Krankenhaus, um dort irgendwelche Infusionen zu bekommen. Mental hält man das irgendwann nicht mehr aus. Dann dachte ich mir: Man geht da hin, bekommt die Therapie und innerhalb von ein paar Wochen ist man wieder gesund.“
Prof. Dr. Andreas Mackensen: „Aber wir konnten Ihnen ja damals noch nicht sicher sagen, dass Sie wieder gesund werden.“
Patientin Thu-Thao V.: „Aber es war so!“
Prof. Dr. med. univ. Georg Schett: „Haben Sie das Gefühl, die Erkrankung jetzt hinter sich gelassen zu haben? Sie haben ja auch ein Studium begonnen. Wie hat sich Ihr Leben verändert?“
Patientin Thu-Thao V.: „Ich muss mein Leben jetzt nicht mehr am Krankenhaus orientieren. Ich kann es frei gestalten und bin jetzt nicht mehr auf Medikamente angewiesen. Ich muss mir nicht mehr den Timer stellen, um früh zu einer bestimmten Uhrzeit, nach dem Essen oder am Nachmittag mein Medikament zu nehmen. Und nicht mehr mitten in der Nacht aufstehen und feststellen: ,Oh, ich habe es vergessen. Jetzt werde ich vielleicht sterben oder mir wird etwas passieren.‘“
Prof. Dr. Andreas Mackensen: „Denken Sie noch viel an die Erkrankung oder gar nicht mehr?“
Patientin Thu-Thao V.: „Doch. Ich schätze schon jeden Tag. Wenn ich merke, dass ich am Computer ganz normal mit zehn Fingern auf der Tastatur schreiben kann, denke ich schon an früher, wo alle Finger verkrampft waren und ich nicht richtig schreiben konnte. Oder ich hatte gar keine Lust, etwas anzufangen, weil ich ganz genau wusste, ich werde es nicht schaffen, weil ich einfach nicht die Kraft dazu habe und der Körper nicht mitspielt.“
Prof. Dr. med. univ. Georg Schett: „Was würden Sie anderen Lupus-Patienten raten?“
Patientin Thu-Thao V.: „Ich habe nie die Hoffnung aufgegeben, dass diese Krankheit irgendwann besiegt werden kann. Und die Hoffnung hat sich gelohnt. Einfach Vertrauen haben.“
Prof. Dr. Andreas Mackensen: „Sie waren wahnsinnig mutig. Wir sagen das immer wieder in unseren Vorträgen. Das ist ganz toll.“
Prof. Dr. med. univ. Georg Schett: „Wir sind stolz auf Sie und freuen uns sehr, dass Sie die Erkrankung hinter sich gelassen haben. Das ist etwas ganz Besonderes!“
„Unser 2021 in Erlangen gelegter Meilenstein gewinnt jetzt noch einmal mehr an Bedeutung“, betonte Prof. Mackensen nach dem Gespräch. „Wir hoffen nun auf weitere derartige Erfolge bei anderen Betroffenen mit schweren Autoimmun-erkrankungen.“ Im Sommer 2023 startete dazu die CASTLE-Studie. Sie schließt Patientinnen und Patienten mit Systemischem Lupus erythematodes, aber auch mit Systemischer Sklerose und Myositis ein, bei denen andere Behandlungen nicht angeschlagen haben und deren Organe bereits schwer betroffen sind.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Andreas Mackensen
09131 85-35954
andreas.mackensen(at)uk-erlangen.de
Prof. Dr. med. univ. Georg Schett
09131 85-33418
georg.schett(at)uk-erlangen.de