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Kräftemessen: CAR-T-Zellen gegen Muskelentzündung

Kräftemessen: CAR-T-Zellen gegen Muskelentzündung

Weltweit erster Patient mit Myositis am Uniklinikum Erlangen erfolgreich mit neuer Therapie behandelt

Am Uniklinikum Erlangen ist der weltweit erste Patient mit einer schweren Form der Muskelentzündung (Myositis) erfolgreich mit CAR-T-Zellen behandelt worden. Dabei handelt es sich um eine Form der Muskelentzündung, der eine Fehlfunktion des Immunsystems zugrunde liegt und die in der Regel sehr schwer verläuft. Das renommierte Fachjournal Lancet hat den Therapieerfolg in einem Fallbericht veröffentlicht*.

Als der 41-jährige Herr S. eine plötzliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes im vergangenen Jahr bemerkte, dachte er zuerst an eine Virusinfektion. Als er sich dann aber nicht mehr als zehn Meter fortbewegen und kaum mehr aufstehen konnte, wurde seine gesundheitliche Situation dramatisch. Ursache für seine Beschwerden war eine schwere Autoimmunerkrankung, die Muskeln, Gelenke, Haut und Lungen befällt: Das Antisynthetase-Syndrom gehört zur Gruppe der Autoimmunen Muskelentzündungen (Myositis). Der Name Antisynthetase-Syndrom leitet sich von der Beobachtung ab, dass bei dieser Erkrankung notwendige Enzyme zur Synthese von Aminosäurebausteinen (tRNA, sogenannte Synthetasen) irrtümlicherweise vom Immunsystem angegriffen werden. Dadurch werden verschiedene Zellen wesentlich in ihrer Funktion gestört.

Hilfe durch veränderte körpereigene Immunzellen

„Autoimmune Muskelentzündungen sind schwerwiegende Erkrankungen und verlaufen mitunter tödlich, wenn sie zu spät erkannt werden oder die Patientinnen und Patienten nicht ausreichend auf Medikamente, die das Immunsystem hemmen, ansprechen“, sagt Prof. Dr. med. univ. Georg Schett, Direktor der Medizinischen Klinik 3 –Rheumatologie und Immunologie des Uniklinikums Erlangen. Im Falle von Herrn S. versagten alle etablierten immunsuppressiven Therapien. Seine Rettung waren CAR-T-Zellen: „CAR-T-Zellen sind körpereigene Immunzellen, die nach ihrer Entnahme aus dem Blut mit einem Chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet werden“, erklärt Prof. Dr. Andreas Mackensen, Direktor der Medizinischen Klinik 5 – Hämatologie und Internistische Onkologie des Uniklinikums Erlangen. „Der CAR ermöglicht es den veränderten Immunzellen, nach ihrer Rückführung in den Patienten bzw. die Patientin gezielt die krankheitsauslösenden Zellen abzutöten.”

Komplette Genesung nach sechs Monaten 

Nach Infusion der CAR-T-Zellen besserte sich der Gesundheitszustand von Herrn S. immens: Die Entzündung in den Muskeln, den Lungen und den Gelenken bildete sich vollständig zurück. Kraft, Leistungsfähigkeit und Ausdauer kamen zurück. „Was besonders erstaunt: Herr S. konnte alle immunsuppressiven Medikamente –insbesondere auch Kortison – komplett absetzen, ohne dass die Erkrankung wieder aufflammte”, meint Dr. Fabian Müller von der Medizin 5, der den Patienten betreut. Herr S. ist nun sechs Monate nach der CAR-T-Zellverabreichung vollkommen von seiner Autoimmunerkrankung genesen. 

„Es ist, wie wenn man einen Reset-Knopf drückt! Vor der Therapie ging einfach nichts mehr und jetzt funktioniere ich wieder!“, sagt Herr. S. Damit wurde von einem Team von Ärztinnen, Ärzten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums Immuntherapie (DZI) des Uniklinikums Erlangen bereits die zweite Form einer Autoimmunerkrankung des Menschen erfolgreich mit CAR-T-Zellen therapiert. Die Wirksamkeit dieser Zellen zeigte sich bereits beim Systemischen Lupus erythematodes (SLE) eindrucksvoll.

Die Arbeiten von Prof. Schett und Prof. Mackensen werden durch die Sonderforschungsbereiche 1181 und 221 der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die Hightech Agenda des Freistaats Bayern und durch den 4I-Immunocluster Erlangen-Regensburg-Würzburg unterstützt. Weiteren Patientinnen und Patienten mit Myositis oder SLE wird es noch in diesem Jahr möglich sein, eine CAR-T-Zelltherapie im Rahmen der anlaufenden klinischen CASTLE-Studie zu erhalten.

Weitere Informationen: 

Prof. Dr. Andreas Mackensen
Medizinische Klinik 5 – Hämatologie und Internistische Onkologie
09131 85-35954
andreas.mackensen(at)uk-erlangen.de

Prof. Dr. Georg Schett
Medizinische Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie
09131 85-33418
georg.schett(at)uk-erlangen.de

Dr. Sylvia Schreiner
Deutsches Zentrum Immuntherapie
dzi-leitung(at)uk-erlangen.de

Quelle: uni | mediendienst | forschung Nr. 9/2023 vom 16. Februar 2023

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*Originalpublikation